"Die Getriebenen" - Geschichte eines C52 Räderwerks

  • Hallo Leute!

    Ich schraube jetzt seit 25 Jahren an alten Toyotas rum. Aber heute habe ich endlich meinen Angstgegner besiegt - ein Getriebe 8) Für alle die es interessiert, hier eine kleine Geschichte.


    Ich habe schon Motoren auseinander und wieder zusammen gebaut, Motoren umgebaut, Elektrik verkabelt, Bleche gedengelt, Fahrwerk, Bremsen, Tank, alles kein Problem. Aber an diesen massiven Klumpen Metall mit gefühlt tausend Schrauben, Federn, Bolzen, Ringen, Wellen, Zahnrädern und jede Menge undefinierbarem Zeugs hatte ich mich bis jetzt tatsächlich noch nicht rangetraut.


    Der Trigger für die Aktion war im Oktober: da bin ich mit dem frisch restaurierten MR2 gleich mal liegengeblieben weil eine Antriebswelle vom Steckflansch abgefallen war (fragt jetzt bloß nicht, warum....8o) Zum Glück nur bei 30km/h, so dass nichts weiter passiert ist. Beim Reparieren habe ich dann gemerkt, dass der Achsstummel auf der Fahrerseite massiv Spiel hat - Differential ausgeschlagen. Das kann so nicht bleiben, also muss eine Lösung her.


    Im Teilelager hat sich mittlerweile einiges an Getrieben angesammelt, so auch ein komplett zerlegtes AW11 Getriebe, das ich vor Jahren überholen lassen wollte. Die Firma hat von Toyota aber keine Teile mehr bekommen und übrig blieb ein Haufen Altmetall und eine Rechnung über 300 Euro für's zerlegen und vermessen. Klasse X/. Aber ich habe die Brocken eingelagert und bin heute froh darum.


    Der zweite Haufen Altmetall war ein teilzerlegtes AW11 Getriebe, das ich mal geschenkt bekommen habe. Jemand hatte die Kupplungsglocke abgebaut und das Differential rausgeholt. Warum macht man sowas...? Na, easy, dachte ich das krieg ich wieder zusammen: Differential rein, Kupplungsglocke drauf, müsste machbar sein. Nach mehreren Abenden Schrauberei hab ich dann kapiert, warum man so ein Teil nicht von der Kupplungsseite her zerlegt, sondern vom 5. Gang abwärts, so wie's im Handbuch steht. Außerdem hat das Getriebe beim zusammenbauen immer blockiert.

    Dann habe ich Versuche gestartet mit dem Differential und dem Kupplungsdeckel aus dem anderen Getriebe - keine Chance. Sobald ich die Schrauben angezogen habe, hat es blockiert. Die Einstellscheiben für das Diff waren schon auf kleinstem Maß.

    Dann habe ich versucht, das Gehäuse vom komplett zerlegten mit der Kupplungsglocke und Diff vom Teilzerlegten zu kombinieren. Siehe da - das ging plötzlich. Also war klar, das geschenkte Getriebe hatte anscheinend mal einen Unfall und das Gehäuse ist verzogen.


    Nun dämmerte mir langsam das ich den finalen Kampf angehen muss: ich habe zwei kaputte Getriebe und kann sie eventuell kombinieren, so dass wieder ein funktionsfähiges daraus entsteht. Das habe ich heute abend begonnen und war erstaunt, dass es eigentlich gar kein Hexenwerk ist. Ich habe das Handbuch vom C52 genommen, bin Schritt für Schritt alles durchgegangen - und musste festellen, dass das richtig Spaß macht ^^.


    So, viele Worte, jetzt gibt's natürlich noch ein paar Bilder. Vielleicht inspiriert es ja den einen oder anderen, an seinem C52 mal den Synchronring vom 2. Gang zu tauschen oder zumindest die Lagerplatte, so dass der Schalthebel beim Lastwechsel im 5. Gang nicht mehr rumwabbelt.


    Los geht's mit dem geschenkten Gaul - Kupplungsgabel und Ausrücker raus, Rückwärtsgangschalter abgebaut, Halteplatte abgebaut.

    In der Kupplungsglocke sind innen drei Schrauben die die Glocke ans Gehäuse verbinden. Die sollte man auch als erstes noch rausdrehen.

    Dann legt man das Getriebe auf die Kupplungsseite und wetzt das Werkzeug...


    Für alle Profis die sich beim Anschauen der Fotos wundern: das Differential fehlt tatsächlich schon, das hatte wie gesagt, der Vorbesitzer schon rausgeholt in dem er die Kupplungsglocke abgeschraubt hat. Das geht eigentlich gar nicht, weil der Schaltarm für den Rückwärtsgang von hinten an die Glocke geschraubt ist, aber man kann die Glocke ca. 4cm abheben und mit einem Gabelschlüssel kriegt man die Schrauben auf. Allerdings macht das unter normalen Umständen keinen Sinn, weil man das Differentiallager nur einstellen kann, wenn der Rest auch zerlegt ist. Ich denke, das Ziel der Aktion war, rauszufinden warum das Differential blockiert.



    Zuerst mal den Deckel abgeschraubt.



    Als nächstes muss die Gangwahlwelle raus.

    Rechts baut man dazu den Schaltarm ab, links den kleinen Deckel (vier Schrauben), von vorne dreht man die Sicherungsschraube raus und dann zieht man die Welle für Gangwahl nach links raus.

    Das kann etwas schwer gehen, weil die rechte Seite in einem Simmering läuft. Ein Stück der Welle guckt im zusammengebauten Zustand rechts raus. Das war bei mir angegammelt und musste erst glatt geschliffen und schön geölt werden um den Simmering nicht zu zerstören.



    Jetzt kann man links reinschauen und sieht drei Zapfen. Drückt man zwei von denen nach unten, sind zwei Gänge gleichzeitig eingelegt.

    Das blockiert das Getriebe und man kann (mehr oder weniger) locker lässig die Mutter vom 5. Gangrad abschrauben.


    Als nächstes kommt die Schaltgabel vom 5. Gang raus. Dazu muss an der Welle ein Sicherungsring weg und an der Seite die Schraube mit dem 10er Kopf.


    Schaltgabel, Synchronkörper und Synchronring sollten in einem Teil abgehen. Ich brauchte allerdings einen Abzieher.

    In die Welle habe ich oben ein Stück Gewindestange reingeschraubt und mit einer Mutter gekontert. In die Gewindestange habe ich eine Vertiefung reingebohrt und den Abzieher angesetzt.

    Die Schrauben der Lagerplatte ringsum sind auch bereits geöffnet.

    Die Lagerplatte läuft innen ein und ist der Grund, warum der Schalthebel im 5. Gang sich bei Lastwechsel bewegt. Das Problem haben alle C50 oder C52 Getriebe im Alter.

    Das sollte man auch reparieren, weil das Getriebe sonst irgendwann Geräusche macht und letztendlich völlig über'n Jordan geht. Der Abtrag schwimmt schön da drin rum und macht nach und nach die Synchronringe und Lager kaputt.



    Die Gangräder waren bei diesem Getriebe schonmal ab und gingen deshalb ganz leicht runter. Normalerweise benötigt man dafür auch einen Abzieher.



    An dieser Stelle habe ich vor lauter Euphorie vergessen, weitere Bilder zu machen... Es müssen drei Sicherungsringe entfernt werden: zwei liegen um die Lager von An- und Abtriebswelle herum und einer ist auf dem Bild oben sichtbar an der linken Schaltwelle die ca. 1cm rausguckt.


    Als nächstes müssen vier Inbusschrauben außen am Gehäuse ausgebaut werden, dahinter ist jeweils eine Metallbuchse mit einer Feder und einer Kugel. Die Feder drückt die Kugel in die Vertiefungen der Schaltwellen, was beim Schalten die Gänge schön einrasten lässt.

    Und nein - wenn man das rausschraubt fliegt einem nicht die Feder um die Ohren. Das geht echt einfach. Angstgegner, sag ich nur ^^


    Die letzte Schraube ist auf der anderen Seite vom Gehäuse, mit 12er Kopf, die sichert die Welle für das Rückwärtsgangrad. Einfach rausdrehen, dann die Gehäuseschrauben alle rausdrehen, mit dem Stemmhebel vorsichtig ansetzen und siehe da - .....

    Ich find's faszinierend so ein Teil ^^



    Für heute ist erstmal Feierabend. Morgen geht es weiter. Dann nehme ich die Wellen raus und beginne, das ganze Zeug in das intakte Gehäuse mit dem intakten Differential einzubauen. Ich werde selbstverständlich berichten ^^


    Schöne Grüße,

    René

  • Hallo René,

    find ich klasse, dass du dich da ranwagst. Und Danke für die Fortos und die Anleitung, vielleicht hilft es mal jemand.

    Eine Frage hätte ich: warum ist damals die Halbwelle vom Steckflansch abgefallen? :evil:


    Weiterhin viel Erfolg und Grüße,
    Rory

  • Eine Frage hätte ich: warum ist damals die Halbwelle vom Steckflansch abgefallen? :evil:

    :D

    Tja. Wenn man Teile restauriert und neu lackiert, sollte man metallisch blanke Anlageflächen vorher abkleben. Besonders wenn man dicken Chassislack verwendet. Sonst setzt sich die Lackschicht mit der Zeit und die Schrauben werden locker.

    Beim Achsschenkel und Radnabe war mir das klar, aber bei den Wellen hab ich das vergessen...

  • Hallo Leute!

    Nach einer Pause (für Euch - ich habe gefühlt non stop geschraubt ^^) hier der zweite Teil des Berichts.

    Dieses Projekt stand unter dem Motto "es bleibt spannend".


    Nachdem nun also alles offen war, habe ich zunächst aus den vorhandenen Gehäusen, Kupplungsglocken und Differentialen - nebst Differential-Anlaufscheiben und Lagerschalen - einen Satz Teile zusammengestellt, bei dem das Diff mit der richtigen Vorspannung im Gehäuse liegt.

    Dazu habe ich mir ein Werkzeug zurechtgefeilt:



    Da muss es rein. Das gezackte ist die Anlaufscheibe, hier eine mit 2.15mm Dicke. Die liegt zwischen Gehäuse und Lagerschale. Die Lagerschalen habe ich bei der ganzen Schrauberei ca. 10 mal aus und wieder eingepresst. Das kann ich jetzt ^^



    Dann habe ich meine Physik-Kenntnisse aus der Schule wieder aufgefrischt: Drehmoment = Kraft mal Weg. Also wenn das Diff bei 0,8 Nm losbrechen soll, dann sind das bei 10cm Hebelweg 800 Gramm.




    Präzisionsinstrument Kofferwaage:



    Das Forum mag anscheinend keine Bilder im Hochformat, sorry... ihr müsst halt den Monitor drehen ;)


    830 g das passt. Ich habe die Messung mehrfach wiederholt, da das natürlich nicht besonders genau ist. Aber es lag jedesmal im Bereich 800-1600 g, was laut Handbuch i.O. ist. Ein echtes Torsiometer kostet einen guten dreistelligen Betrag...



    Nächster Schritt: Deckel wieder ab und endlich die Wellen umstecken. Vorher:



    Und hepp...

    Das geht tatsächlich am Stück. Man nimmt die ganzen Schaltstangen und die beiden Wellen mit den Zahnrädern raus und steckt sie wieder rein.

    Es kann in der Tat nicht auseinanderfallen. Im Gegenteil, wenn man es auseinander haben will muss man erst Schrauben lösen und Sicherungsringe abziehen. Aber dazu später mehr. Ich erinnere an das eingangs genannte Motto... ^^



    Alles wieder zusammenbauen, das ist die Kür.

    Rückwärtsgangrad: Man achte auf die Markierung, das Gewinde muss in Richtung der Gehäusebohrung zeigen.



    Rückwärtsgang-Schaltwelle:



    Den Magnet nicht vergessen!! Spänesammler! Der hing beim ausbauen ganz schön voll mit Metallabrieb! Enorm, was da drin rumschwimmt...


  • Dichtungsmasse auftragen:



    ...und das Gehäuse aufsetzen.



    Die Schraube für die Welle vom Rückwärtsgang:



    Hier die ominösen Federn und Kugeln:



    Da müssen sie rein. Man sieht die Vertiefungen in der Schaltwelle, wo die Kugel dann schön klackt.



    An dieser Stelle mache ich einen Schnitt und erkläre erstmal weiter, wie man das Teil fertig zusammensetzt.

    Ihr ahnt es schon - die Wirklichkeit sah anders aus ^^


    Sicherungsringe aufstecken:



    Lagerplatte anbauen:



    Zahnrad 5. Gang Abtrieb aufstecken:



    5. Gang Antrieb, Synchronkörper und Schaltgabel aufstecken, Schraube in die Schaltgabel und den Sicherungsring nicht vergessen.



    So sieht es aus, wenn zwei Gänge gleichzeitig eingelegt sind. Das Getriebe ist jetzt blockiert. Jetzt kann man die Mutter auf dem 5. Gang Abtriebsrad mit 120 Nm festziehen.


  • Abschlussdeckel drauf, natürlich mit Dichtmasse. Und die Gangwahl-Welle steckt auch schon wieder drin.




    links den Deckel draufgemacht, rechts den Schalthebel angebracht und von vorne die Sicherungsschraube wieder rein.


    So einfach könnte es sein.

    Leider hat das Getriebe tatsächlich beim aufsetzen des Deckels wieder blockiert. Was zum Geier....?

    Also habe ich nochmal nachgedacht. Was habe ich alles geprüft:

    Gehäuseteile nur mit Differential - läuft

    Gehäuseteile nur mit den Wellen, ohne Differential - läuft

    Gehäuse mit Diff und Wellen - blockiert. Antriebswelle lässt sich jedoch drehen

    Also muss es irgendwas im Zusammenspiel der Komponenten sein.

    Die Antriebswelle habe ich mal ausgeschlossen.

    Das Differential ebenfalls, denn das war von meinem alten Getriebe und lief bis zum Schluß.

    Also kann es nur an der Abtriebswelle liegen. Diese ist tatsächlich krumm, hat also irgendwann mal etwas schreckliches erlebt...

    Man sieht es nicht, aber wenn ich Gelegenheit habe, will ich den Rundlauf mal vermessen.


    Nun kam also ein weiterer Schritt: ich begann, die Abtriebswelle von meinem komplett zerlegten Getriebe wieder zusammenzusetzen.

    Das ging erstaunlich leicht mithilfe des Handbuchs und da ich ja ein Muster hatte. Ich hatte mir vor einiger Zeit mal ein Werkzeugset für solche Zwecke zugelegt. Es ist zwar Baumarktqualität, aber mit etwas Gefühl brauchbar.








    Nun musste ich "nur" noch die Schaltstangen ausbauen, die Wellen separieren und das Ganze mit den richtigen Teilen wieder zusammenbauen.

    Hier ist alles noch zusammen:



    Schaltstange 1 ausgebaut. Dazu muss am unteren Ende ein Sicherungsring ab, dann kann man sie nach oben rausziehen.



    Schaltstange zwei kann man rausiehen, nachdem die Schrauben an den Schaltgaben entfernt sind.

    Dann geht Stange drei ebenfalls raus und alles zerfällt in Einzelteile. Zwei Kugeln fallen dann auch noch raus. Gesegnet sei das Handbuch.... ^^


    Jetzt kann man die Wellen entnehmen und separieren.

    Ich habe dann alles mit der geraden Welle wieder zusammengesetzt und den Deckel aufgelegt und - heureka! - es blockierte nicht mehr!


    Nun könnte man meinen, das Ende sei nah. Oh nein ^^.

    Jetzt kommt der Perfektionist! Ich begann, die von mir zusammengesetzte Welle zu vermessen. Ich hatte das Getriebe ja, wie bereits erzählt, zum überholen weggegeben. Tatsächlich war das Spiel der Zahnräder bei der krummen Welle kleiner.

    Also begann ich die krumme Welle zu zerlegen. Dann zerlegte ich die Gerade Welle ebenfalls - inzwischen kenne ich die Einzelteile im Schlaf.

    Dann habe ich die gerade Welle mit den besseren Zahnrädern wieder zusammengebaut. Das ging gut bis zum vierten Gang. Da hat es mir das Baumarktwerkzeug zerbröselt.... Grundgütiger, was für ein Mist 8|

    Also musste ich als nächstes das Werkzeug reparieren, was mir tatsächlich soweit gelang, dass ich das 4 Gang Rad draufgepresst bekommen habe.

    Als ich dann final den kleinen Deckel draufgesetzt hatte, lies sich das ganze nicht mehr schalten. AAAAaaaahhhh .... =O=O<X

    Der Grund war allerdings schnell gefunden: ich hatte die Schaltwelle nur halb reingesteckt, aber vor Aufsetzen des Deckels manuell den 5. Gang reingedrückt. Das hat die Schaltwelle derart verklemmt, dass der Deckel wieder runtermusste.... was für ein Wahnsinn ^^


    So, jetzt bin ich aber tatsächlich am Ende. Das Getriebe ist jetzt wieder zu, es lässt sich drehen, es macht keine komischen Geräusche und die Gänge lassen sich schön sauber durchschalten. Sobald mein Toda Schwungrad aus den USA kommt, werde ich alles in den MR2 einbauen, dann kommt die Feuertaufe.


    Danke für's Lesen, ich hoffe, ihr hattet euren Spaß. Ich hatte meinen jedenfalls 8)^^


    mit schwarzen Pfoten

    René